Der deutsche SolarBuggy – auf Mission zum Weltrekord

Wie wird das Innere von Autos wohl in einigen Jahrzehnten aussehen? Und wie die Zukunft der Mobilität? Die Frage des Fortbewegens wird uns definitiv niemals loslassen. Keiner, der sich heute mit Autos beschäftigt, kommt an Hybrid-Fahrzeugen, Autos mit Brennstoffzellen oder mit Hochvolt-Batterien vorbei. Auf die Frage, wie sich Mobilität umweltfreundlich gestalten lässt, gibt es ganz aktuell auch eine sehr faszinierende Antwort. Und zwar von den Erfindern des SolarBuggys, einem deutschen Studententeam: Sie entwickelten ein Fahrzeug mit der einmaligen Technik faltbarer Solarmodule, die eine autarke Fortbewegung ermöglichen. Wir haben hier alles von der Idee bis hin zu den ambitionierten Weltrekordplänen der Macher zusammengetragen.

Hochvolt Solar Buggy
Ein Hochvolt Solar betriebener Buggy in der Entwicklung und Forschung

Dass speziell im Thema alternativer Fahrzeugantrieb viel Potenzial liegt und dass jetzt gerade eine Menge im Umbruch ist, das sieht auch eine äußerst smarte Gruppe angehender Ingenieure der Bochum University of Applied Sciences, der Hochschule Bochum so. Hier werden bereits seit 18 Jahren Solar-Fahrzeuge entwickelt. Erklärtes Ziel ist, Fahrzeuge zu bauen, die ihre Energie von der Sonne beziehen und nicht aus umweltverschmutzenden fossilen Brennstoffen. Vorrangig geht es eben darum, das Potenzial von Solarenergie nicht nur für stationäre, sondern auch für mobile Anwendungen aufzuzeigen.

Mit dem Hochvolt-Fahrzeug von Bochum in die Wüste Australiens

Das studentische Team bildete sich im Jahr 2013 aus dem SolarCar-Projekt der Hochschule. Aus dem Projekt sprießen seitdem die innovativsten Ideen und machen die Solarenergie in dieser Hinsicht immer interessanter – nicht zuletzt, weil Solarzellen immer weiterentwickelt und dadurch effektiver werden. Mit „Open World“, ihrem ersten SolarBuggy, bewältigten sie bereits im Jahr 2015 eine Strecke von 829 Kilometern über die australischen Tanami Road. Dieser Outback-Track verbindet den Stuart Highway bei Bond Springs nördlich von Alice Springs mit dem Great Northern Highway südwestlich von Halls Creek.

Mit schlauen Ideen in die nächste Generation der Hochvolt-Solarfahrzeuge

Bauten die Studenten damals einen benzinbetriebenen Strandbuggy zu einem SolarBuggy um, landeten sie mit der nächstfolgenden Generation einen sensationellen Coup. Sensationell mit Fug und Recht aufgrund seiner besonderen technischen Features. Denn durch ein einzigartiges Solarzellensystem legt dieses E-Mobil seine Strecken nun völlig unabhängig vom Netz zurück. In der Konstellation von aktuell 23 schlauen Köpfen entwickelten sie den elektrischen Offroad-Solar-Buggy, der ermöglicht, nur mit Sonnenenergie eine Sandwüste zu durchqueren. Sein Herzstück ist eine einzigartige, neuartige Anwendung von faltbaren Solarkollektoren. In dieser Größenordnung, wurden solche Konstruktionen bisher nur im Weltraum eingesetzt.

Das Vorbild aus der Raumfahrt

Die Faltkonstruktion wurde nach dem Vorbild einer Origami-Konstruktion des japanischen Astrophysikers Koryo Miura erdacht. Die Miura-Falttechnik unterteilt ein Papier in ein Netz aus Rhomboiden. Zieht man an zwei gegenüberliegenden Seiten, lässt es sich mit einem Griff zusammen- und wieder auseinanderziehen. Auf diese Weise gefaltetes Material lässt sich in die unterschiedlichsten Formen bringen. Diese Technik nutzen nicht nur die Forscher in der NASA-Raumfahrt, sondern nun auch die Bochumer Studenten für ihr Solar-Array. Es besteht aus vier faltbaren Modulen aus monokristallinem Silizium, ist 40 Quadratmeter groß, wovon die effektive Fläche 27 Quadratmeter beträgt und bringt eine Leistung von 6 Kilowatt. Mithilfe des mitgeführten Solar-Arrays kann der SolarBuggy seine 400V-Lithium-Ionen-Batterie ganz einfach durch die Sonne selbst laden. Er wird in drei Stunden also komplett solarautark, d.h. ohne Anbindung an das Netz aufgeladen.

Das Fun-Elektro-Mobil, das mehr kann als nur Fun

Klar, dass man jetzt auch mal zeigen muss, was so ein Offroad-Buggy noch kann, außer eine Menge Fahrspaß beim Rumcruisen im Gelände zu bieten. Neben dem Fahrtwind, der einem direkt und herrlich authentisch um die Nase weht, wenn man die Offroad-Teststrecken meistert, tut das geniale E-Mobil-Fahrgefühl ein Übriges: Tritt man aufs Gaspedal, so beschleunigt der SolarBuggy sofort, da das volle Drehmoment bei einem Elektromotor unmittelbar zur Verfügung steht. Der 120 km/h schnelle E-Flitzer mit seiner 15-kWh-Batterie kommt auf eine Reichweite von 150 Kilometer pro Akkuladung. Zwei Synchronmotoren mit einer Nennleistung von 20–32 kW und einer Peakleistung von 80kW erzeugen ein Drehmoment von 150 Nm (max) bzw. 80 Nm.

Was die Innovatoren vorhaben? Nichts Geringeres als einen Weltrekordversuch!

Der SolarBuggy soll erstmalig die australische Wüste Simpson Desert durchqueren. Ungefähr 1.100 hellbraune bis tiefrote, teilweise gigantisch hohe Sanddünen machen diesen Trip für jeden Allradfahrer zu einem abenteuerlichen Wildnistrip. Die Fahrt auf dem sogenannten French Line Track stellt dabei die schwierigste Route durch diese Wüste dar. Die Simpson Desert ist das größte, parallel verlaufende Sanddünen-Halbwüstensystem der Welt. 2017 gelang es einem australischen Team mit einem allradbetriebenen Suzuki, der von einem Verbrennungsmotor auf ein mit Solarenergie betriebenen Elektromotor umgebaut wurde, die Wüste in 4 Tagen, 21 Stunden und 23 Minuten zu durchqueren. Das gilt es zu toppen.

Hilfe vom Rallye Dakar Sieger

Respekt vor diesem Trip ist geboten: Es wird geraten, sich der French Line mit viel Wüstenerfahrung und guter Ausrüstung zu stellen. Doch den Studenten mangelt es auch hier wieder nicht an Ideen: Sie holten sich schlauerweise einfach Hilfe von jemandem, der eine Menge Wüstenerfahrung vorzuweisen hat. Der ehemalige Rallye Dakar Sieger Eric Vigouroux stellte dem Team die Idee des Grundgerüstes für den Buggy zur Verfügung. In diesem, aktuell zweiten Projektzyklus, arbeiten sie an dem größeren und komplett selbstgebauten SolarBuggy namens „Froggee“. Den Namen hat er seinem froschähnlichen Exterieur zu verdanken. Damit der Buggy perfekte Wüstentauglichkeit erhält, fertigen die Mechaniker aktuell die Karosserie. Zu den eingesetzten Materialien zählen unter anderem Stahlrohre und ABS-Kunststoffplatten.

Fahrzeugerprobung in der Wüste

Im Oktober dieses Jahres steht die große Reise an. Wenn die Studierenden des SolarBuggy Teams den Weltrekord in der australischen Wüste mit dem ersten in Eigenarbeit gefertigten Solarfahrzeug versuchen aufzustellen, werden wir auf unserer VadoTech Facebookseite natürlich unsere Community über den Weltrekordversuch des SolarBuggys auf dem Laufenden halten und berichten, welches Potential auch im Automotive Bereich in den erneuerbaren Energien stecken kann.

Wir, die Tag für Tag mit Leidenschaft in unserem Job Fahrzeugerprobung weltweit unterwegs sind, wollen natürlich immer direkt dran sein, klar. Gut, dass wir hier die Gelegenheit haben, uns mit den Entwicklern ausführlich über ihre Vision zu unterhalten.

Was zeichnet euer Leuchtturmprojekt aus?

Wir sind ein studentisches Projekt, welches Probleme angeht, die sonst nicht angegangen werden. Wir nehmen ein System, welches in der Stadt entwickelt wird oder überall einsetzbar ist. Mit der mobilen Solaranlage unseres SolarBuggys können überall Autos geladen werden. Das Fahrzeug ist also komplett autark. Dieser Denkansatz ist bei großen Firmen noch nicht da, da meist urban gedacht wird. Doch wir denken: Autos werden mehrheitlich außerhalb der Stadt gebraucht. Die Ladeinfrastruktur, wie sie im Moment gedacht ist, geht nach unserer Meinung nicht. Die Ladeinfrastruktur fehlt. Eventuell Europa- oder deutschlandweit ja, aber kommt man nach Afrika oder in sehr abgelegene Gebiete, in denen es noch nicht einmal Strom gibt, hört es schon auf. Warum sollte es dann dort eine Ladesäule geben? Klar.

Der Strom ist zu 100% Öko – es ist reine Sonnenenergie! Und somit können wir behaupten: Lokal emissionsfrei fahren wird komplett umgangen. Denn wir sagen: Ihr seid überall emissionsfrei. Diese Funktionsweise ist in unserem Erachten unendlich erweiterbar, je nach Platz und Ziel.

Wurde das SolarBuggy Projekt eigentlich von eurer Hochschule initiiert?

Nein, das haben schon wir als Studenten komplett in Eigenregie begonnen. Es läuft zwar unter dem Namen der Hochschule, wird aber von uns Studenten komplett alleine finanziert und geplant. Die Studenten des Instituts für Elektromobilität haben schon mehrere Generationen des Solarcar-Projektes durchlaufen. Dieses ist in Deutschland einzigartig: Die Arbeit im Projekt organisiert sich in Form des Problem Based Learning (PBL). So wird uns Studenten schrittweise immer mehr Verantwortung für den eigenen Wissensaufbau übertragen, reale Problemstellungen und entsprechende Lösungsansätze werden im Team und fachübergreifend entwickelt. Sowohl die Teamleitung als auch alle Teammitglieder sind Studenten.

Alle zwei Jahre entstehen also neu entwickelte, hocheffiziente, elektrisch betriebene Solarfahrzeuge, die sich mit der Konkurrenz messen wollen. Ihr schafft es damit, euch technologisches Expertenwissen im Bereich der elektrischen Antriebs- und Fahrzeugtechnik zu erarbeiten! Welche Studiengänge belegt ihr – und: Warum macht ihr das?

Warum wir das machen? Wir wollen unser Wissen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch umsetzen. Wir studieren Mechatronik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurswesen oder Nachhaltige Entwicklung. Das geht querbeet vom 1. bis zum 10. Semester, egal ob Bachelor- oder Masterstudiengang. Es kommt drauf an, welches Vorwissen mitgebracht wird. Aber prinzipiell gilt: jeder kann helfen.

Ist das Hochvolt-Buggyprojekt als Modul an eurer Hochschule anerkennbar?

Ja, aber nur bei einigen Studiengängen als Projektarbeit. Der Bau selber zählt nicht als Modul für das Studium selbst. 

Geht ihr neben dem Studium noch arbeiten – wie viel Zeit investiert ihr pro Woche in das Projekt?

Ja, einige von uns gehen Kellnern, andere Arbeiten in der Batterieentwicklung. Ein Projektleiter bekommt 20 Stunden im Monat bezahlt. Je nach Person ist von 2 bis 40 Stunden Zeitaufwand pro Woche alles dabei. In den Semesterferien geht natürlich mehr als in der Klausurenphase, ganz klar.

Was habt ihr aus euren Aufgaben im Team gelernt?

Allem voran: Nicht jeder muss alles können! Das Wissen von Einzelnen wird zu einem Gesamtkonzept zusammengesetzt. Manche stellen durch diese Erfahrung hier aber auch fest: Ich möchte später nicht das machen, was ich jetzt hier mit vielen im Team machen muss. Schließlich bin ich Entwickler und kein Kindergärtner.

Was treibt euch an?

Es sind ganz unterschiedliche Motivatoren: Einen Weltrekord zu schaffen. Oder das Fahrzeug an sich zu konstruieren. Die Innovation des solaren Ladens. Das Wissen für sich selber weiter zu entwickeln. Ganz real etwas zu basteln, zu bauen, da das Studium zu theoretisch ist. Das Ganze ist ein Lernprojekt. Keiner wusste, wie man ein Projekt startet. Nimm nur das Thema Sponsoring: Wann muss man etwas machen? Wie stellt man sich am besten dar? Welche Firmen oder Sponsoren sind für uns am interessantesten? Je mehr Leute hier zusammen lernten, umso deutlich besser wurde das Projekt strukturiert. Es ist ein superspannender Prozess.

Gab es ein Vorbild für den Hochvolt-Buggy?

Ja, das ist eine witzige Geschichte: Thierry Wilmes, der Geschäftsführer der Firma AUKTORA, wollte mit einem Diesel-Fahrzeug durch die Wüste fahren. Dann fiel ihm urplötzlich auf: Hey, ein Solarbuggy wäre hier viel sinnvoller gewesen als alles Andere! Im Grunde ist daraus das Projekt entstanden.

Werdet ihr von der Uni unterstützt?

Ja, aber im Vergleich zu den Gesamtkosten nur in sehr geringem Maße. Die Hochschule lässt das SolarBuggy-Projekt zu, aber ist nicht der Träger an sich.

Sind aus euren Projekten schon Firmen entstanden?

Ja, ganze sieben Firmen sind aus den Projekten schon entstanden! Beispielsweise das eben genannte AUKTORA, ein unabhängiger Ingenieursdienstleister für agile Produktentwicklung im Bereich der elektrischen Antriebs- und Fahrzeugtechnik. Oder Voltavision, ein Entwicklungs- und Testzentrum für Leistungselektronik und Energiespeicher, das Lösungen für alltagstaugliche Elektromobilität und die Nutzung von erneuerbaren Energien entwickelt.

Wie sprecht ihr die Firmen an?

Wir schreiben sie an und betteln sie quasi an; die Firmen geben teilweise kostenlosen Support und sind auch sehr an den Ergebnissen interessiert. Viele Firmen wollen allerdings nur den Namen auf dem Auto haben. Andere Firmen verwenden den Buggy aber auch als Testobjekt. Oft gibt es Firmen, die zwar sehr interessiert sind und auf uns zukommen, wo wir aber wiederum leider feststellen müssen, dass das Produkt nicht zu uns passt.

Habt ihr alleine oder zusammen Probleme gelöst?

In den meisten Fällen passiert das zusammen! Selbst Leute, die fachlich keine Ahnung haben, haben oftmals die richtigen Einfälle. Es sind alles ungetestete Systeme, die eben Probleme machen.

Danke für eure Zeit, die wir neugierigen Nerds von der Fahrzeugerprobung an euch loswerden durften. Der Elektromobilität in seinen verschiedenen Facetten gehört die Zukunft! Elektromobilität wird für die Energiewende im Fahrzeugmarkt gerade immer wichtiger. Wir erinnern uns: Allein die deutsche Bundesregierung hatte mal das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2020 einen Bestand von einer Million Elektrofahrzeugen in der deutschen Fahrzeugflotte zu erreichen.

Hochvolt Solar Buggy Team aus Bochum 2019

Bis zum Jahr 2030 soll der Bestand der Elektrofahrzeuge bis auf 6 Millionen ansteigen

Die Automobilindustrie steht also mitten im Umbruch, welcher schlaue Innovationen braucht. Früher oder später wird die ehemals klassische Zweiteilung des Neufahrzeugmarktes, bestehend aus Benzin- und Dieselfahrzeugen, einem Portfolio von unterschiedlichen, elektrifizierten Antrieben weichen. Durch die Technologien elektrifizierter Fahrzeugkonzepte kommen mit elektrischen Antrieben und Hochvolt-Batterien eine hohe Anzahl elektrotechnischer Komponenten ins Fahrzeug.

Der Umgang mit Hochvolt-Systemen steigt immens

Natürlich ergeben sich daraus auch bei der Integration der Hochvolt-Systeme in die Fahrzeuge viele Herausforderungen. Nicht nur für die Entwicklungsingenieure, sondern für jeden, der damit beruflich zu tun hat. Dadurch, dass die innovativen E-Autos mit hoher Spannung betrieben werden, macht besondere Schutzmaßnahmen erforderlich. Wenn Sie als interessierter Leser auch all diese Themen zu meistern haben, sei Ihnen das Absolvieren einer Hochvolt-Schulung ans Herz gelegt. In der VadoTech-Hochvolt-Schulung lernen Sie, die Spannungsversorgung in Elektrofahrzeugen sicher zu unterbrechen, mit dem Gefahrenpotential sicher und qualifiziert umzugehen und jegliche Unfälle dieser Art zu vermeiden. Hier erfahren Sie mehr über die verschiedenen Stufen der Hochvolt-Schulung.